Verfrühter Wahlkampf in Ilmenau


Heute erreichten mich zwei Presseanfragen vom Freien Wort und Thüringer Allgemeine. Beide bezogen sich auf eine Pressemeldung des Landtagsabgeordneten und Stadtrats Andreas Bühl mit folgendem Wortlaut:

Ilmenau von Antifa als Ort von Rassismus und Gewalt dargestellt
Er habe kaum fassen können, was im Programmheft des sogenannten 26. Antifaschistischen Ratschlags, der am 4. und 5. November in Ilmenau stattfinden soll, geschrieben steht, sagte der Ilmenauer Landtagsabgeordnete Andreas Bühl (CDU). Das Heft wurde im Rahmen der letzten Stadtratssitzung verteilt.
Geschrieben stehe dort über Ilmenau unter anderem, die Stadt und Polizei würde alternativen Jugendlichen das Leben erschweren, während die Universität einen distanzlosen Umgang mit den reaktionären Burschenschaften pflege würde. Die Universitätsleitung würde sich unpolitisch geben. Es gebe seit Jahren einen wahrnehmbaren Rassismus, der sich neben Pöbelleien und Propaganda auch in Bedrohungen und offener Gewalt gegenüber ausländischen Studierenden, Linken oder Geflüchteten entladen würde. Es gebe regelrechte Angriffswellen von Neonazis. Von der Polizei und der Lokalpresse würden solche Ereignisse, wenn überhaupt, relativiert dargestellt.
„Allein diese Formulierungen müssen für Menschen die Ilmenau nicht kennen den Schluss zulassen, dass rechtsextreme Banden das Stadtbild beherrschen und Schrecken verbreiten. Die Realität unserer weltoffenen Universitätsstadt verpasst diese Einstellung völlig.“, sagte Bühl. Bei den Unterstützern der Aussagen über Ilmenau werden explizit Pro Bockwurst und die SPD Ilmenau genannt. Die dortigen Fraktionsvorsitzenden Reinhard Schramm und Daniel Schultheiß müssten es in ihrer Arbeit für die Stadt doch eigentlich besser wissen, meint Bühl. „Wenn sie dies wirklich ernst meinen, dann muss man sich fragen was die Herren in den letzten Jahren im Stadtrat falsch gemacht haben. Insbesondere Herr Schultheiß, der Oberbürgermeister werden wollte, scheint kein gutes Bild von der Stadt zu haben, für die er Verantwortung tragen wollte. Solche unreflektierten Aussagen stellen das Wirken vieler Ilmenauer unrechtmäßig in den Schatten. Wer sie in dieser Form unterstützt schadet dem Ansehen unserer Stadt.“, sagte der Vorsitzende der CDU Ilmenau. 

Ich kann die künstliche Empörung des Kollegen Bühl so ganz und gar nicht verstehen. Womöglich befindet er sich schon wieder im Wahlkampfmodus. Anders ist so eine plumper Angriff auf Reinhard Schramm und mich nicht erklärbar. Erst gestern Abend hatten wir eine gemeinsame Stadtratssitzung. Da bestand die Möglichkeit für Herrn Bühl auf uns zu zu kommen und das Gespräch zu suchen. Stattdessen veröffentlicht er eine empörungsgeladene Pressemeldung und unterstellt uns, ein schlechtes Bild unserer Stadt zu haben. Für mich deutet das auf schamlose Selbstdarstellung anstatt inhaltlicher Auseinandersetzung hin.

Der am Wochenende stattfindende „Ratschlag“ ist eine Veranstaltung, die von verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen und demokratischen Parteien organisiert und unterstützt wird. Ich wurde vom DGB-Bildungswerk angefragt, ob wir die Veranstaltung unterstützen und fand eine ideelle Unterstützung richtig. Das finde ich immer noch, denn Aufklärung gegen
Rassismus ist stets ein aktuelles Thema. Dass es in Thüringen ein Problem mit Rassismus in verschiedenen Ebenen gibt zeigt die Arbeit des NSU-Untersuchungsausschusses und die regelmäßig stattfindenden Demonstrationen von Thügida und Co. Auch in Ilmenau demonstrierte Ende September die NPD lautstark. Dass es immer noch Rassismus gibt, kann man also nicht so einfach von der Hand weisen. Die Formulierungen, auf die sich Herr Bühl bezieht, entstanden durch die jungen Menschen, die die Veranstaltung organisieren. Weder Reinhard Schramm noch ich waren an der Entstehung in irgendeiner Weise beteiligt. Das ist Aufgabe der Veranstalter. Zugegebenermaßen mögen die Texte tendenziös sein. Ich
würde sie so nicht formulieren. Das ist aber häufig in der politischen Auseinandersetzung so und das dürfte auch Herrn Bühl – der ebenso gerne tendenziöse Stilmittel bei seinem zweischneidigen Feldzug gegen die Gebietsreform benutzt – klar sein.

So wohl im Privaten als auch beruflich trage ich stets ein positives Bild unserer Stadt in die Welt und lade regelmäßig Menschen von überall ein, uns zu besuchen. Denn durch Menschen von überall bleibt Ilmenau attraktiv und wirklich weltoffen. Das heißt aber nicht, dass gesellschaftliche Probleme wie Rassismus nicht benannt werden können und darüber in Veranstaltungen aufgeklärt werden darf. Beispielsweise trägt Reinhard Schramm als Vorsitzender der jüdischen Landesgemeinde und SPD-Stadtrat in Ilmenau heute Abend im Rahmen des „Ratschlags“ zum Thema Reichskristallnacht und aktuellen rechtsextremistischen Tendenzen in Thüringen vor. Ich bin sicher er würde sich über die Anwesendheit von Herrn Bühl und eine sachliche Diskussion mehr freuen, als über so eine polemische Pressemeldung. Auch die Organisation des „Ratschlags“ fand öffentlich statt. Auch dort hätte Herr Bühl – der sich gerne auf öffentlichen Veranstaltungen zeigt – seine Meinung kundtun können und Einfluss nehmen können.

Schlussendlich frage ich mich, was das für ein Abwehrreflex für einen Landtagsabgeordneten ist, wenn junge Menschen subjektiv ihre Wahrnehmung von gesellschaftlichen Problemen äußern. Aus meiner Sicht sollte man da eher die Ohren spitzen und den Abwehrreflex für einen Moment unterdrücken. Man könnte als Landtagsangeordneter für alle jungen und
alten Menschen im südlichen Ilm-Kreis erst einmal zuhören, mögliche Probleme identifizieren und die gemeinsam mit den Menschen, die diese so empfinden, lösen. Das würde aber erfordern, über die engen Grenzen der eigenen parteilichen Extremismus-Definition hinauszuschauen und das Gespräch mit den Menschen zu suchen, statt Empörungsplattitüden kund zu tun. Abschließend kann ich zumindest für meine Person anbieten, ein persönliches Gespräch mit mir zu suchen, das hätte manch unnötige Pressemeldung erspart. Ich bin sicher, dass Reinhard Schramm Gesprächsangebote oder Anfragen genauso wenig ablehnt.